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Kanzlei-Controlling im Wandel der Zeit

Im Gespräch mit Herrn Prof. Dr. Andreas Blum, Managing Partner bei der dhpg

Wie hat sich denn aus deiner Sicht die Rolle des Kanzlei-Controllings innerhalb der letzten Jahrzehnte so verändert?

Prof. Dr. Andreas Blum:

Wenn ich an meine Anfänge Ende der 90er zurückdenke, war Controlling sehr häufig dadurch geprägt, dass wir vor allen Dingen im Nachgang kontrolliert haben, ob alles gepasst hat; das war insbesondere bei den Abschlussprüfungsthemen so, weil da die Honorare teilweise ein bisschen knapper ausfielen. Letztlich war es eine einfache Erfolgskontrolle und die Tools dazu relativ simpel.

Es war viel manuelle Arbeit, entsprechend wenig Automatisierung und mitunter eine überschaubare Aussagekraft, weil wir auch keine Differenzierung getroffen haben zwischen Produktivität und Realisationsgrad, beispielsweise bei der Beurteilung des Einzelnen. Daher fokussierte sich das Controlling auf einzelne Aufträge, bei denen man Sorge hatte, dass die Honorare möglicherweise etwas kritisch sind, und das war es im Kern.

Das ist heute natürlich ganz anders! Heute können wir durch die Tools und Techniken, die wir einsetzen, wirklich von High Level-Betrachtung sprechen: Wir können in unserem MIS, also unserem Management Informationssystem, runter auf die einzelne Buchung gehen, die unterschiedlichen Sichtweisen einnehmen, natürlich auch die Auftragssichtweise, und haben weiterhin den Überblick über alle Aufträge – und das alles vollkommen automatisiert.

Das ermöglicht uns einen vollständigen Blick quer durch die Zahlen: von der höchsten Flugebene, der Gesamtcompany bis runter auf die einzelnen Buchungen – und das Ganze eben auf automatisierte Art und Weise.

Auch ein zeitgenössisch verändertes Verständnis von Kanzlei-Controlling trägt dazu bei, dass wir über die letzten 30 Jahre hinweg Riesenschritte gemacht haben: Controlling ist Daily Business: Das wird auch von unseren Kolleginnen und Kollegen erwartet – und zwar als laufender Prozess und nicht nur im Nachhinein.

All das hängt wahrscheinlich auch ein bisschen damit zusammen, dass sich auch die Systeme im Laufe der Jahre verändert haben und gegebenenfalls komplexer geworden sind, korrekt? Ist es heute tendenziell einfacher geworden, Kanzlei-Controlling zu betreiben, oder von den Systemen her sogar komplexer?

Prof. Dr. Andreas Blum:

Die Bedienung der Basissysteme ist sicherlich komplexer geworden. Wir setzen ja insbesondere Power BI ein: Das kann man aufgrund der Komplexität als regulärer User von Excel, Word und Co nicht so ohne weiteres bedienen.
Umgekehrt ist es allerdings so, dass – sobald das System mal entsprechend eingerichtet ist – die Bedienung sehr einfach wird.

Plötzlich spricht man nicht mehr über irgendwelche Excel-Tableaus, bei denen man aufpassen muss, dass man nicht irgendwelche Formeln zerstört! Es geht nicht um Filtersetzungen in Excel- oder Pivot-Tabellen, bei denen viele Usern bis heute nicht so ganz klar ist, was eine Pivot-Tabelle eigentlich ausmacht.

Wir haben eine Oberfläche wie unser Management Informationssystem in Power BI, das man intuitiv bedienen kann.
Grundsätzlich würde ich sagen, dass die Basissysteme definitiv komplexer geworden sind. Früher haben wir uns vielleicht mal aus DATEV ein paar Tabellen gezogen, die wir dann irgendwie in Excel zusammengeflickt haben und das war dann die Controlling-Basis – mit beschränkter Aussagekraft und Dynamik und ohne automatisierte Anbindung etc.; als erprobter Excel User konnte man das damals noch selbst machen.

Heute ist das zu komplex, aber dafür gibt es jetzt eben andere, effizientere Lösungen, die der User sehr intuitiv bedienen kann.

Jetzt fielen schon mehrfach die Worte Power BI und Daily Business. Fest steht also, dass tiefes Controlling zum Alltag geworden ist und die Anforderungen gewachsen sind. Wie gelingt es, dass die zuständigen oder verantwortlichen Mitarbeiter das auch tun?

Prof. Dr. Andreas Blum:

Hierfür sind zwei Dinge relevant: Du musst den Kolleginnen und Kollegen verständlich machen, dass es praktisch eine zwingende Notwendigkeit ist. Am Ende des Tages führen wir die dhpg natürlich als Wirtschaftsunternehmen.
Dafür ist es wichtig, dass man sich mit seinen Zahlen beschäftigt – und zwar nicht nur als Managing Partner: Wir, also die Partner, tragen die Verantwortung, wir alle.

Das heißt, wir haben die Awareness der Kolleginnen und Kollegen geschaffen, zu verstehen, dass es ihre Aufgabe ist, warum es ihre Aufgabe ist und warum das wichtig ist. Unterm Strich ist es eher eine unternehmenskulturelle denn technische Frage.

Und der zweite Aspekt ist: Wir haben die Thresholds, also die Barrieren, gesenkt. Will heißen: Unsere Kolleginnen und Kollegen öffnen einfach nur Microsoft Teams. Dort finden Sie sofort den Button dhpg Management Informationssystem MIS: Mit einem Klick bist du im Grunde schon auf dem Weg ins MIS.

Hier hilft auch die automatisierte Bereitstellung des individualisierten Dashboards für Seniorpartner: Das „Aufploppen“ aktueller Daten ist extrem wichtig, weil es als Daily Reminder fungiert. Es ist gut, wenn die Leute verstanden haben, dass sie sich ihre Zahlen angucken müssen.
Aber natürlich bietet der Alltag unglaublich viele Herausforderungen, da geht das auch schon mal unter. Umso wichtiger ist es, die Schwellen niedrig zu halten und so einen Daily Reminder zu haben, der regelmäßig aufploppt. Selbst, wenn man ihn wieder wegklickt, hat man ihn in dem Moment jedenfalls bewusst wahrgenommen und weiß, dass man sich wieder mit seinem Dashboard beschäftigen sollte. Und wenn es nicht an diesem Tag möglich ist, dann vielleicht am nächsten Tag, wenn der Reminder sich erneut automatisch meldet. Also lauten die beiden Punkte Unternehmenskultur und Abbau von Schwellen.

Was ich da spannend finde ist, dass ihr es ja geschafft habt – vielleicht, weil ihr das auch aktiv einfordert – da selbstständig mitzuarbeiten und zu analysieren, wie das Geschäft sich entwickelt. Man hätte ja auch einen anderen Weg gehen können, etwa: Jeder Partner bekommt monatlich eine Zeitschrift zur Verfügung gestellt, die textbasiert die Ergebnisse enthält und in der alle Zahlen erklärt werden. Ihr hingegen verfolgt den aktiven Ansatz, der vielleicht auch nicht überall funktioniert, aber bei euch offenbar sehr gut.

Prof. Dr. Andreas Blum:

Das stimmt. Als Ergänzung ist vielleicht noch wichtig zu wissen, dass wir unseren Kolleginnen und Kollegen natürlich Support anbieten, damit die User Adoption auch gelingt. Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die den Einsatz der Lösung unterstützen, aber nicht automatisch alle Zahlen nachvollziehen können. Letztens habe ich mich vor diesem Hintergrund beispielsweise mit einem Kollegen getroffen: Wir haben zusammen sein Dashboard analysiert und sind gemeinsam die Fragen durchgegangen: Was bedeutet diese KPI? Was hat sich gut entwickelt? Was weniger zufriedenstellend? Hilfestellung sollte also auf jeden Fall angeboten werden. Am Ende des Tages ist es natürlich Hilfe zur Selbsthilfe, weil es so am nachhaltigsten ist.

Denkst du, dass sich durch den Einsatz dieser Tools die Entscheidungsfindung grundsätzlich verbessert hat?

Prof. Dr. Andreas Blum:

Auf jeden Fall. Allein die Aktualität der Daten ist sehr wichtig: Diese sind jetzt nicht mehr zwei oder drei Wochen alt, sondern täglich aktuell!

Gibt es Kennzahlen, die man früher eigentlich gar nicht zur Verfügung hatte, hätte analysieren oder auswerten können, respektive nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand?

Prof. Dr. Andreas Blum:

Wir haben eine Mitarbeiterperspektive, eine Auftragsperspektive, eine Mandatsperspektive sowie eine Gesamtunternehmensperspektive, vielleicht noch ein bisschen unterteilt nach Kostenstellen oder ähnlichem.
Das ist zugegebenermaßen nicht irre komplex. Die Komplexität rührt eigentlich eher daher, dass es diese unterschiedlichen Perspektiven gibt und wie man sie in geschmeidiger Art und Weise zur Verfügung stellt.

Das war eben früher schwierig: diese unterschiedlichen Perspektiven schnell
und einfach zur Verfügung zu stellen. Die Auswertungen, die jeweils relevant sind, variieren je nach Perspektive und sind im Grunde schon immer zu erarbeiten gewesen – aber im Zweifel viel aufwendiger vom Doing her und nicht so tagesaktuell. Dementsprechend kommt die Komplexität eher aus den unterschiedlichen Perspektiven und weniger aus der einzelnen Kennzahl, weil die einzelnen KPIs nicht so irre komplex sind.

Nehmen wir beispielsweise die Produktivität bei einem Mitarbeiter. Man schaut nach, wie viel er auf Mandatsaufträge und wieviel er auf sonstige Verwaltung gebucht hat. Da kann man jetzt noch ein wenig differenzieren: Bedeutet Interne Verwaltung jetzt Krankheit oder Fortbildung etc.? Das gab es früher bereits, nur eben aufwendiger.

Was sind deiner Einschätzung nach die wichtigsten Kennzahlen, auf die du besonderes Augenmerk legst?

Prof. Dr. Andreas Blum:

Ich beschäftige mich auf der Gesamtebene der dhpg vor allen Dingen mit unserer GuV. Das sind dann die ganz klassischen Kennzahlen wie Personalkostenquote oder beispielsweise Umsatzentwicklung.

Der nächste Schritt besteht darin, dass ich mir die jeweiligen Bereiche der Seniorpartner anschaue: Wie laufen die Aufträge? Welchen Realisationsgrad haben wir, also wieviel Zeiten sind aufgelaufen und wieviel Zeiten haben wir tatsächlich in Umsatz abgerechnet?

Wenn du dir etwas wünschen könntest vom Kanzlei-Controlling – was wäre das? Vielleicht auch noch mal mit Blick auf die Partner?

Prof. Dr. Andreas Blum:

Ich finde super, wenn man für die unterschiedlichen Sichtweisen, die ich vorhin mal kurz erwähnt habe, KPIs definiert und es dann automatisierte Controllingabläufe gibt. Diese sollten abgleichen, wie die Produktivität im Vergleich zur Soll-Produktivität ausschaut und bei wesentlichen Abweichungen automatisiert den Verantwortlichen informieren. Etwa bei folgendem Szenario:

Der Verantwortliche erhält einen Auftrag mit einem Budget von 100.000 Euro. Mit Blick auf die Stundenleistung hat er bereits 20% abgearbeitet, allerdings schon 40.000 Euro als Aufwand verrechnet. In dem Fall wäre ein automatisierter Hinweis an den  Auftragsverantwortlichen hilfreich mit dem Inhalt Vorsicht, da läuft gerade was auseinander. Ein anderes Beispiel: Nehmen wir an, die Personalkostenquote soll bei 60 % liegen. Im Einzelmonat liegt sie aber nun bei 62% und kumuliert bei 60,7%. Auch hier wäre ein automatisierter Hinweis praktisch, der auf die Abweichungen aufmerksam macht.

Also müsste man eigentlich auf Basis mehrerer Kennzahlen so eine Art Scoring entwickeln. Man würde die Zeit sparen, in der man selbst nach diesen Auffälligkeiten suchen muss, weil man stattdessen aktiv darauf hingewiesen wird?

Prof. Dr. Andreas Blum:

Absolut. Auch denkbar wäre ein wöchentliches oder monatliches – je nach Definition – Reporting, das mir einen wirklich schnellen High Level-Überblick gibt über die Situation und an welcher Stelle sie sich gerade unschön entwickelt. Damit kann man dann im Zweifel zu den Kollegen gehen und auf die Abweichungen hinweisen – selbstverständlich immer sehr wertschätzend, immer freundschaftlich und partnerschaftlich. Mehr automatisierte Unterstützung wäre an diesem Punkt auf jeden Fall hilfreich.

Also quasi eine monatliche Zusammenfassung und eine „aktivere“ Form der Automatisierung?

Prof. Dr. Andreas Blum:

Genau, auch gar nicht komplex, vielleicht eine Seite lang. Beim Blick auf unser Dashboard denkt man erstmal häufig, dass es sich um eine Fehlentwicklung handelt – bis man tiefer geht und feststellt, dass alles in Ordnung ist. Aber es gibt die Hinweise, denen man dann nachgeht, um gezielt zu prüfen.

Die zweite Frage heißt dann: Wie kann das ausgestaltet sein? Darüber muss ich nun selbst einmal nachdenken. Bislang lag der Fokus primär auf der Ebene der Seniorpartner und Partner. Jetzt könnte man sich einmal fragen, bis zu welchem Level welche Information gewünscht oder hilfreich wären.

Vielen Dank das aufschlussreiche und informative Interview! Happy Controlling!

Wenn das Happy Controlling auch bei Ihnen zum Alltag werden soll, buchen Sie unverbindlich einen Beratungstermin!



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Ihre Ansprechpartnerin

    Laura Krüger, Team Manager Sales