Entfremdung im Homeoffice?

Beitrag vom 7. September 2021

Rückblick: Corona, Homeoffice, Digitalisierung 2020 / 21

Als die Pandemie Anfang 2020 grassierte, schien der Wechsel ins Homeoffice und die eigenen vier Wände die Rettung zu sein. In den Unternehmen fand – wenn auch nicht ganz freiwillig – ein Umdenken statt, das auf der Hoffnung gründete, die Produktivität trotz widerer Umstände aufrecht zu erhalten. Plötzlich musste man sich mit dem Thema mobile Arbeit, flexibler Arbeitsplatz und Heimarbeit auseinandersetzen, was zuvor vielerorts eher vermieden wurde.

Zu verbreitet waren die Bedenken der Arbeitgeber über mögliche Produktivitätseinbußen bei der Tätigkeit außerhalb des Bürogebäudes; auch in puncto Sicherheit im Homeoffice herrscht(e) – Achtung, Wortspiel – Unsicherheit.

Wo diese Bedenken jedoch überwunden wurden und es Berufsfeld und IT-Infrastruktur zuließen, wurden Mitarbeiter am eigenen Schreibtisch aktiv, was vor Corona einer Minderheit von circa 25 Prozent vorbehalten gewesen ist.

Sprunghaft hieß es in Deutschland „Hallo 21. Jahrhundert, hallo Digitalisierung“, der Digitalisierungsschub folgte und hält noch an. Im Hinblick auf’s Homeoffice hat sich viel getan: Überarbeitete IT-Infrastrukturen, Diskussionen um den überfälligen Breitbandausbau oder einen gesetzlichen Rechtsanspruch, aber auch der Umgang mit der in Deutschland bislang dominierenden Präsenzkultur.

Homeoffice: Vom Übergang zur Dauerlösung

Ein Umdenken an dieser Stelle ist ausschlaggebend für die erfolgreiche Nutzung des Heimarbeitsplatzes, bringt aber auch Änderungen mit sich, die nicht technischer Natur sind. Damit meine ich nicht die erforderliche Selbstdisziplin und -organisation, welche die produktive Arbeit zuhause abverlangt, sondern vielmehr die sozialen Aspekte der eben genannten Präsenzkultur.

Zu Beginn der Verlagerung ins Homeoffice konnte man sich – sofern man den gemütlichen Kaffeeschnack und angeregten Mittagstalk wie ich vermisste – noch damit trösten, dass es sich bei der Corona-Pandemie nur um ein temporäres Problem handelt, deren Rückgang automatisch eine Rückkehr ins Büro verheißt.

Ein gutes Jahr später sieht die Sache allerdings anders aus, da niemand bestimmt sagen kann, „wie temporär“ Covid-19 tatsächlich ist und die sogenannten Wellen nicht wirklich abzuebben scheinen.

Damit wird das soziale Trostpflaster immer kleiner und zumindest bei mir ploppt unwillkürlich die Frage auf, was das mit der Unternehmenskultur und unserem sozialen Gefüge macht. Entfernen sich die Kollegen mit der Zeit voneinander? Schwächt die Identifikation mit dem Unternehmen irgendwann ab, wenn man dauerhaft nicht mehr das Bürogebäude aufsucht und „Unternehmensluft“ schnuppert? Können in der virtuellen Zusammenarbeit noch so kreative Ideen entstehen, wie sie teils spontan in der Tiefgarage oder im Flur entwickelt werden, wo man den gemeinsamen Arbeitstag Revue passieren lässt? Ist die Heimarbeit noch eine Überbrückung oder schon zur geheimen Dauerlösung gewachsen? Ist Hybrid Work unsere Zukunft?

Fragen über Fragen und übergeordnet die eine: Wie verändert das Homeoffice die Beziehung zu meinen Kollegen?

„Wir haben die neu gewonnene Flexibilität zu schätzen gelernt. Unsere Attraktivität als Arbeitgeber wird zukünftig maßgeblich dadurch bestimmt werden, inwieweit wir auch zukünftig eben diese Flexibilität ermöglichen. Natürlich werden wir kein „individuelles Wunschkonzert“ bieten können. Aber auch Einheitslösungen sind nicht mehr zeitgemäß. Für uns als Arbeitgeber ist jetzt der Zeitpunkt, die Arbeitswelt der Zukunft aktiv zu gestalten und hierbei sollten die Bedürfnisse unserer Mitarbeiter eine wesentliche Rolle spielen.

Rieke Zervas, Head of Human Resources & Internal Operations, synalis GmbH & Co. KG

Kamera an, Distanz aus

Ohne selbst tiefenpsychologische Vorkenntnisse zu haben vermute ich stark, dass die Antwort hier wie bei jeder Frage lautet, in der der Begriff „Beziehung“ auftaucht: Arbeit.

Eine funktionierende dauerhafte Beziehung ist Arbeit. Auch bei der Arbeit, nicht nur im Privatleben. Wenn ich den engen Austausch zu meinen Kollegen und kluges Brainstorming nicht missen will, obwohl ich weder die Kaffee- noch die Mittagspause mit ihnen teile, dann mache ich einen Videocall. Klar, live ist es noch schöner, aber Face-to-Face sitzt man in der Videotelko gewissermaßen auch. Zudem besteht die Möglichkeit, Gestik und Mimik zu lesen. Da gerade die non-verbale Kommunikation im direkten Austausch dynamischer Treiber von Gesprächen ist, sollte man das nicht unterschätzen.

Chats sind absolut praktisch und sinnig, lassen jedoch häufig viel Raum für Missverständnisse und Fehlinterpretationen. Wer Klarheit will, sollte öfter seine Kamera aktivieren. Und wer seine Beziehung zu den Kollegen stärken oder aufrechterhalten will ebenso. Wenn man vor dem Desktop simultan am Kaffee nippt, ein Projekt beleuchtet, gemeinsam Probleme rekonstruiert, Lösungen erarbeitet und vielleicht auch noch im Hintergrund seine eigenen Räumlichkeiten präsentiert statt eines Effekts, dann kann man den Eindruck gewinnen, dass die räumliche Distanz schwindet und man vielleicht nur ein Büro weiter sitzt und keine 30 Kilometer auseinander.

Neben Videocalls spielt auch die Etikette eine Rolle, die in der virtuellen Welt schnell mal in Vergessenheit gerät. Dabei sind es doch gerade die kleinen Sachen, die das Leben oft schöner machen. Während sich montags im Büro alle wie selbstverständlich nach dem Wochenende erkundigen oder freitags vor Feierabendbeginn nach den jeweiligen Plänen, rücken die freundlichen Zwischenfragen in der Schnelllebigkeit der Chats rasch in den Hintergrund. An Einleitungen wie „Kurz Zeit?“, „Meld dich gleich mal zurück“, „Bitte mal checken“ oder kommentarlose Links mit indirekten Handlungsaufforderungen haben wir uns gewöhnt, auch durch die formlose Ansprache in WhatsApp. Würde man allerdings bei einem Kollegen im Büro stehen mit den Worten „Such mal nach dem Fehler“, ohne zuvor wenigstens einmal nett gefragt oder eingeleitet zu haben, würde man sich vielleicht über den Umgangston wundern. Beim Chatten machen wir das für gewöhnlich nicht, aber es schadet nicht, sich gewisse Höflichkeitsformeln noch mal ins Bewusstsein zu rufen.

So oder so: Alles ist im Wandel, den wir aktiv mitgestalten können, so auch das Miteinander im Homeoffice und bei der hybriden Arbeit. Das ist zwar keine Prognose, wie es mit uns in der Heimarbeit weitergeht, aber ein Appell daran, das Beste daraus machen zu wollen!

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Isabell Helger
Isabell Helger

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