Jens Klasen, Experte für Dynamics 365 bei synalis im Interview
Tobias Vierneisel: Microsoft Dynamics 365 ist ja mittlerweile als Produktname weitestgehend bekannt. Oft stellt sich aber die Frage, wohin die Reise geht und welchen Nutzen die Plattform für Aspekte wie Kundengewinnung und Kundenbeziehungen heute und morgen bietet. Könnte man Dynamics 365 als „Enabler“ für den Aufbau von Kundenbeziehungen sehen?
Jens Klasen: Dynamics 365 ist nicht einfach nur ein Modul, das einen bestimmten Arbeitsprozess abbildet, sondern ein großer Baukasten, der für eine Vielzahl von betriebswirtschaftlichen Problemstellungen oder Anforderungen eine Lösung bietet. Wenn wir den Begriff „Enabler“ betrachten, kann Dynamics 365 zum einen eine nahtlos integrierte Portallösung bereitstellen, über die Kunden oder Partner eigenständig im Selfservice-Gedanken Informationen für das Unternehmen verwalten können. Gleichzeitig können wir aber auch über integrierte Marketinglösungen Kampagnen durchführen, Lead Scoring-Komponenten verwenden, um vertriebliche Aktivitäten zu unterstützen und damit Wert eines Kunden besser ermitteln zu können. Ergänzend finden wir auch eine Vielzahl von Funktionalitäten zur Integration als auch Interaktion in Soziale Netzwerke wie z.B. LinkedIn, Facebook etc. Somit bietet der Standard bereits eine Vielzahl an Möglichkeiten, um neue Kundenbeziehungen zu erschließen oder bestehende zu verbessern.
Die gesamte Lösung ist darüber hinaus durch das Common Data Modell schnittstellenoptimiert ausgelegt, sodass andere Lösungen recht einfach eingebunden werden können, da alle Bausteine im Dynamics 365-Baukasten ein gemeinsames Objektmodell verwenden. Jegliche “Enabling-Quellen” können somit genutzt werden – sei es zum Beispiel eine externe Newsletter-Lösung oder andere Komponenten, die ein Unternehmen zur Kommunikation und Interaktion mit Kunden benötigt. Dynamics 365 ermöglicht uns, mit den aus dem Gesamtprozess gewonnen Informationen zu arbeiten: Dadurch können die Prozesse optimiert werden, die zukünftige oder bestehende Kundenbeziehungen betreffen.
Tobias Vierneisel: Welchen Nutzen siehst du durch die Cloudmigration zu Dynamics 365 für ein Unternehmen, das ein Microsoft CRM-System oder ERP-System in der eigenen Systemumgebung betreibt?
Jens Klasen: Während man früher, und teilweise auch noch heute, (auch physisch) in sich getrennte Systeme nutzte, erhält man mit Dynamics 365 eine zentrale Cloud Plattform und folglich eine einheitliche Systemumgebung für alle Anwendungen unabhängig, ob dies ein ERP, CRM oder ein klassisches Office darstellt. Das wiederum ermöglicht den Zugriff auf sämtliche Daten, die für relevante Prozesse benötigt werden und bietet damit einen großen Mehrwert gegenüber traditionellen Bereitstellungen. Hinzu kommt eine stetig steigende Anzahl an Werkzeugen und Features innerhalb der Module, die man bei Bedarf aktivieren und nutzen kann. Werkzeuge und Features, die der Kundengewinnung und -Bindung dienen.
Tobias Vierneisel: Würdest du sagen, dass durch Dynamics 365 das Thema Kundenbetreuung auf eine neue Ebene gehoben wird?
Jens Klasen: Das würde ich anders ausdrücken. Mit Blick auf die Historie haben es die Hersteller die letzten ein bis zwei Jahre realisiert, die bestehenden Prozesse bzw. Softwarelösungen (Komponenten) zu digitalisieren und über Cloud-Technologien zentral als Dienst bereitzustellen, wie wir es heute gewohnt sind. Der große Mehrwert neben der komfortablen Bereitstellung sowie Nutzung als Cloud-Dienst folgt meiner Meinung nach im nächsten technologischen Schritt, der sich gerade aus den Kinderschuhen zu ernstzunehmenden Softwarelösungen entwickelt – nämlich auf dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz basierend sowie Machine Learning.
Dabei wird der Anwender aktiv durch das genutzte Informationssystem bei der Arbeit unterstützt. Das System analysiert autonom Daten sowie deren Verknüpfungen zu anderen Daten oder Systemen und errechnet auf dieser Grundlage beispielsweise im Vertrieb, welche Verkaufschance oder welcher Interessent aktuell einer erhöhten Aufmerksamkeit im Sinne einer Priorisierung bedarf. Die Plattform führt aufgrund von Algorithmen eigenständig Berechnungen durch und liefert dem Anwender Vorschläge, welche Arbeiten momentan am Wichtigsten sind. Dadurch können eigene produktive Tätigkeiten effizienter ausgeführt werden, anstatt diese monoton und systematisch abzuarbeiten.
Ein weiterer Bereich, an dem wir gerade im CRM arbeiten, betrifft die Branche der Wirtschaftsprüfer. Diese werden meist in festen Abständen in das Unternehmen berufen, um betriebswirtschaftliche Analysen bzw. Prüfung durchzuführen. Was aber wenn sich ein System eigenständig beim Wirtschaftsprüfer meldet, wenn bei seinen Mandanten Abweichungen oder Auffälligkeiten in den Systemen identifiziert werden. Das erspart dem Unternehmen Aufwände und Ressourcen und kann sogar vor großem Schaden bewahren. Diese Beispiele zeigen nach meinem Verständnis sehr gut auf, was ich persönlich unter der Digitalisierung bzw. digitalen Transformation verstehe. Die Beziehung Mensch-Maschine wird nicht mehr primär vom Menschen gesteuert sondern die Maschine unterstützt den Menschen autonom bei der Entscheidungsfindung durch die eigenständige Erkennung von Zusammenhängen und automatisiert damit lästige und monotone Regelaufgaben.
Tobias Vierneisel: Das heißt, die Cloud für Unternehmen erreicht neue Ebenen mit neuen Möglichkeiten?
Jens Klasen: Wir erreichen derzeit mit einem nicht unerheblichen Aufwand, dass Unternehmen ihre Applikationen als Cloud-Dienst betreiben können. Vielen dieser Unternehmen ist dabei noch gar nicht bewusst, was Ihnen auf diesen Plattformen an technologischen Errungenschaften zur Verfügung gestellt werden kann. Diese Technologien mit KI-Komponenten basieren auf Microsoft Standardsoftware und stehen jedem Unternehmen – ob groß oder klein – zur Verfügung. Wo ich mir heute noch eigenständig eine Systematik überlege, wie ich Interessenten bewerte, schlägt mir das System morgen eigenständig eine Priorisierung vor: Diese errechnet es sich automatisch durch interne Aktivitäten sowie durch soziale Netzwerke oder Berichterstellungen in den Nachrichten.
Wer die analytischen Fähigkeiten von Microsoft Power BI kennt wird sicherlich wissen, dass man mit dieser Komponente ideal Daten in Form von interaktiven Dashboards anwendungsübergreifend darstellen kann. So waren früher bei Abweichungen von Werten aus Analysen umfangreiche Recherchen erforderlich, um die Ursache identifizieren zu können. KI hat an dieser Stelle den Vorteil, dass ein System diese Abweichungen autonom über Muster erkennt und für mögliche Ursachen direkt Vorschläge liefert. Der Mensch muss die Arbeitsergebnisse infolge meist nur noch interpretieren.
All diese Technologien entstehen gerade und wir können uns die ersten Ausprägungen auf der Dynamics 365 Plattform bereits ansehen. Natürlich sind das auch die Entwicklungen, vor denen viele Menschen einen gesunden Respekt haben, da durch solche Mechanismen ggf. auch bestehende Arbeitsprozesse eine Reform erfordern oder möglicherweise sogar wegfallen. Aber das ist einfach nur ein Schwarz-Weiß-Vergleich. Die Wahrheit liegt bekanntlich wieder irgendwo in der Mitte. Man muss die Thematik eher von der Seite betrachten und beispielsweise erkennen, dass man seine Arbeit mit diesen Technologien anders gestalten kann, wenn beispielsweise das Lead Scoring vom System übernommen wird. Die Aufgabe besteht dann für betroffene Personen darin, die Auswertungen logisch zu interpretieren und Vorschläge zur Optimierung zu liefern. All diese Dienste entwickeln sich gerade und das ist auch der Grund, warum Microsoft das Thema Künstliche Intelligenz aktiv vorantreibt. Für den Dynamics 365-Nutzer bedeutet das den aktiven und langfristigen Profit digitalisierter Prozesse.
Wem das Thema KI immer noch zu fremd erscheint, dem schildere ich immer gerne das Beispiel von einem intelligenten Routenplaner, den heute die Allgemeinheit flächendeckend einsetzt. Auch hier wird mit künstlicher Intelligenz gearbeitet, die auf Systemen in der Cloud basieren. Sie sorgen dafür, dass die Routen z.B. für einen Servicetechniker in der richtigen Reihenfolge erstellt werden, der Verkehr mit einberechnet wird und bei Verkehrsproblemen jederzeit eine neue Alternative eigenständig vom System vorgeschlagen werden kann.
Weitere Beispiele finden wir auch in Marketingprozessen. So kann etwa ein System wie Dynamics Marketing erkennen, dass die Versandzeitpunkte für Mailings in einer Branche für eine schlechte Öffnungsrate sorgen und macht den Anwender aktiv darauf aufmerksam. Das heißt für den Benutzer, dass er aktiv unterstützt wird und seine persönliche Leistung positiver ausfällt. In all diesen Prozessen, in denen man sich bewegt – etwa in den CRM-Bereichen Vertrieb, Marketing und Service – befinden sich bewusst und unbewusst untereinander verknüpfte Informationen um spezifische Datenobjekte wie z.B. ein Kontakt, ein Projekt, eine Verkaufschance oder eine Serviceanfrage. Genau diese Verflechtungen maschinell autonom auf den Punkt zu bringen und aktiv bei der Interaktion eines Menschen mit seinem Kunden zu nutzen ist aus meiner Sicht einer der zentralen Mehrwerte der Digitalisierung und der damit verbundenen Technologien. All das ist technologisch auch nur in der Cloud möglich, da hierzu Unmengen an Rechenkapazitäten erforderlich sind, die etwa früher nur großen Unternehmen zur Verfügung standen. KMU profitieren also jetzt auch.
All das ist also aktuell “in der Mache”. Man könnte sagen: Gerade entstehen die ersten Pflänzchen – und diese wachsen extrem schnell.
Tobias Vierneisel: Und wie sieht es aus deiner Sicht mit den Kundenbeziehungen aus? Können sich KMU hier steigern oder durch die neuen Möglichkeiten optimieren?
Jens Klasen: Das Thema Kundenbeziehungen ist ja prinzipiell nicht neu. Mit den Komponenten aus Dynamics 365 kann man diese aber jetzt gezielter bei der Kundengewinnung einsetzen und Kundenverluste konkret vermeiden. Einen verlorenen Kunden zurückzugewinnen ist einfacher und mit weniger Aufwand verbunden als einen Neukunden zu gewinnen. Service unterstützt durch die Möglichkeiten einer zentralen und intelligenten Plattform wie Dynamics 365 die Kundenbindung. Der Kunde kommt schneller an sein Ziel, etwa durch ein bereitgestelltes Serviceportal. Informationen zu Rechnungen, Aufträgen oder Servicefällen stehen direkt zur Verfügung und können vom Kunden bearbeitet werden. Ich nenne das Transparenz durch Self-Service, der im nächsten Jahr sicherlich noch durch intelligente Bots für Standardfälle unterstützt werden kann.
Tobias Vierneisel: Heute passiert viel Austausch über soziale Medien. Ist dieser Aspekt auch eingebunden?
Jens Klasen: Natürlich! Über die Komponente Social Engagement haben wir die Möglichkeit, direkt Einfluss zu nehmen, wenn ein Produkt zum Beispiel Probleme bereitet. Eine Komponente aus Dynamics 365, die auf künstlicher Intelligenz basiert, analysiert und bewertet Aktivitäten in sozialen Medien. Auf diese Weise erfährt ein Unternehmen rechtzeitig, wenn positiv oder negativ über Themen gesprochen wird. Man muss nicht selber beobachten, recherchieren und bewerten – man wird informiert und kann dann aktiv reagieren. Microsoft Dynamics 365 Portals und Social Engagement sind folglich gerade in Kombination sehr hilfreich, um den Kunden noch besser zu verstehen und durch entsprechende Reaktionen infolge besser zu binden.
Tobias Vierneisel: Spielt das Thema Bots auch eine Rolle?
Jens Klasen: Für bestimmte Kundenanfragen kann ein Bot die Beantwortung übernehmen, ohne dass der Kunde das überhaupt bemerkt. (Bei einfachen Fragen muss ich als Mensch folglich nicht mehr aktiv werden, sondern kann mich um die komplexeren Anfragen kümmern). Repetitive Alltagsfragen wie „Ich habe meine Kundennummer vergessen“ beantwortet also kein Mensch mehr, sondern ein integrierter Bot. Heute sind solche Systeme auch bereits in der Lage, per Telefon oder Chat vertriebliche Anfragen zu bearbeiten, um daraus heraus ein Angebot zu unterbreiten. Hier kann man sich folglich überlegen, ob der Vertrieb nicht langfristig ein vollständiges Update erhält, wie man vertriebliche Prozesse generell gestaltet. Für standardisierte Produkte muss der Vertrieb nicht mehr aktiv werden – dieser kann sich auf komplexere Themen konzentrieren oder neue Ideen entwickeln. Ein Unternehmen sollte sich also schon heute die Frage stellen, wo solche Systeme zum Einsatz kommen könnten.
Tobias Vierneisel: Heißt das, dass die synalis-interne Herangehensweise an Projekte sich auch ändert?
Jens Klasen: Im Prinzip ja. Wir entwickeln nicht mehr von Null ab; Microsoft Dynamics 365 bietet eine Vielzahl an Grundkomponenten und wir als Partner ermitteln mit dem Kunden in Workshops, für welchen Anwendungsfall welches Modul der gesamten Lösung zum Einsatz kommen kann und welche kunden- sowie branchenspezifischen Anpassungen gemacht werden müssen. Also: Wie machen wir aus dem großen Werkzeugkasten einen etwas kleineren, der auf die Anforderungen des Unternehmens, seine Prozesse und seine Mitarbeiter ausgelegt ist? Der Kunde kauft bzw. lizenziert nur das, was er tatsächlich benötigt. Wenn ich heute den Wunsch äußere, ich benötige das Modul Marketing, habe ich es mit einem Mausklick aktiviert. Wir als Partner passen dann im Sinne des Kunden und seiner Prozesse das Modul an und schulen seine Mitarbeiter. Die Herausforderung für Unternehmen besteht darin, zusammen mit einem Partner wie synalis ein Gesamtkonzept zu entwickeln, das nachhaltig und zukunftsorientiert ist. Und Microsoft Dynamics 365 bildet für genau diese Nachhaltigkeit und Zukunftsorientiertheit die solide Basis.